Anthroposophie – wörtlich aus dem Griechischen: „Weisheit vom Menschen“ – ist in den Worten ihres Begründers Rudolf Steiner (1861-1925) „Bewusstsein des eigenen Menschentums“ und ein spirituell orientierter Erkenntnisweg. Sie versteht sich als Anregung zur Entwicklung des Individuums und zur Neugestaltung von Lebens- und Kulturverhältnissen und nicht als System oder Lehre.
Die anthroposophische Geisteswissenschaft ist bis heute in weiten Bereichen des kulturellen Lebens fruchtbar geworden – nicht nur in der persönlichen Lebensführung vieler Menschen, sondern auch in Pädagogik, Medizin oder Landwirtschaft, in der Kunst und im Wirtschaftsleben. Diese freien Kulturinitiativen finden einen menschlichen Zusammenhang – ohne politische oder religiöse Bindungen – in der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft. Diese fördert die Forschung der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft, den interdisziplinären Austausch und das zivilgesellschaftliche Engagement.
Mit dem Goetheanum, Sitz der Gesellschaft und der Hochschule, stellt sie einen Raum dafür zur Verfügung. Eine reiche publizistische Landschaft (Medien und Publizistik) spiegelt und inspiriert heute diese Initiativen und die Menschen, die sie tragen. Diese setzen sich dafür ein, aus einem vertieften „Bewusstsein des eigenen Menschentums“ auch konkrete Lebenswirklichkeit zu prägen.
Themen und Bereiche der Anthroposophie
Um sich in einen einzelnen der breit gefächerten Themengebiete des täglichen Lebens, Bildung, Medizin, Landwirtschaft etc. zu vertiefen, wählen Sie hier eine der Unterseiten:
- Rudolf Steiner
- Waldorfpädagogik & Bildung
- Landwirtschaft & Ernährung
- Medizin & Pharmazie
- Heilpädagogik & Sozialtherapie
- Kunst & Architektur
- Freiheit, Erkenntnis, Spiritualität
- Soziales, Wirtschaft & Politik
- Naturwissenschaften
Weitere Informationen
Geschichte der Anthroposophie
Anfänge und Grundlagen 1902-1912
Rudolf Steiner wird 1902 Generalsekretär der Theosophischen Gesellschaft in Deutschland und findet dort Interessenten für sein Anliegen: aus geistiger Praxis kulturell-sozialgestaltend zu arbeiten. Aufbau der Theosophischen Gesellschaft im deutschsprachigem Gebiet, vielfältige internationale Vortragstätigkeit und grundlegende Werke zur Anthroposophie.
Gründung der Anthroposophischen Gesellschaft und Kulturinitiativen 1912-1923
Am 28.12.1912 Gründung der Anthroposophischen Gesellschaft in Köln mit ca. 3000 Mitgliedern. Vielfältige künstlerische Tätigkeiten: 1910-1913 Sommerfestspiele in München mit Aufführungen von „Mysteriendramen“. Unter Mitarbeit von Künstlern und Helfern aus allen europäischen Ländern entsteht während des Ersten Weltkrieges das erste Goetheanum in Dornach bei Basel/CH. Im Nachkriegsdeutschland werden Vorschläge zu einer „Dreigliederung des sozialen Organismus“ vertreten. 1919 wird die erste Waldorfschule in Stuttgart gegründet und Ansätze zu einer anthroposophisch erweiterten Medizin vorgestellt. Das Goetheanum wird Sylvester 1922/23 durch Brandstiftung zerstört.
Neustrukturierung und Vertiefung. Neugründung der Anthroposophischen Gesellschaft 1923-1925
Die internationale Entfaltung und das Wachstum der Aktivitäten der Gesellschaft machen Restrukturierungen notwendig. In 15 Ländern bestehen Landesgesellschaften und weitere Landesgruppen mit ca. 12000 Mitgliedern. Neugründung der Anthroposophischen Gesellschaft. Die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft mit Sektionen für Allgemeine Anthroposophie, Pädagogik, Medizin, Mathematik, Naturwissenschaft etc. wird von Rudolf Steiner eingerichtet. Der Beschluss zum Wiederaufbau des Goetheanums als Mittelpunkt der Aktivitäten wird gefasst. Grundlagen der biologisch-dynamischen Landwirtschaft und der anthroposophischen Heilpädagogik werden gelegt.
Differenzierung und Weltkrieg 1925-1945
Am 30. März 1925 stirbt Rudolf Steiner. Der Schweizer Dichter Albert Steffen wird Vorsitzender der Gesellschaft. Die angelegten Neustrukturierungen bleiben fragmentarisch, die weltweiten Initiativen werden fortgeführt. Im Herbst 1928 wird das zweite Goetheanum eröffnet. Am 1. November 1935 Verbot der mitgliederstärksten deutschen Landesgesellschaft durch die Nationalsozialisten. Teile der Anthroposophischen Bewegung arbeiten nach internen Auseinandersetzungen zeitweise unabhängig von der Gesellschaft weiter. Marie Steiner inszeniert am Goetheanum 1938 Goethes „Faust“ in beiden Teilen ungekürzt (Welturaufführung).Die Aktivitäten werden durch den Krieg erheblich eingeschränkt.
Aufbau und Konsolidierung 1945-1968
Intensive Grundlagenarbeit, Aufbauarbeit und Institutionalisierung. Rudolf-Steiner-Häuser als Kulturzentren entstehen in grösseren Städten weltweit. Lokale Gruppen („Zweige“) erarbeiten Grundlagen und bilden ein Forum für Initiativen. Weltweit entstehen Einrichtungen, Seminare und Ausbildungsstätten anthroposophisch orientierter Pädagogik, Landwirtschaft, Heilpädagogik, Kunst etc. Grundlagen für ein anthroposophische erweitertes Bankwesen werden ausgearbeitet.
Ausbreitung und Professionalisierung 1969-1989
Generationenwechsel. Im Zuge der allgemeinen gesellschaftlichen Umbrüche finden anthroposophisch erweiterte Medizin, Pädagogik, Heilpädagogik und Landwirtschaft weltweit Ausbreitung mit Schulen, Höfen, Heimen und entsprechenden Ausbildungsstätten in allen Erdteilen. Kulturinitiativen in sozialen Brennpunkten wie Südafrika, Südamerika, im Strafvollzug, in der Suchttherapie usw. entstehen. Regionale und internationale Tagungskultur.
Identitätsfragen und Metamorphose 1990 bis heute
Die Anfang des 20. Jahrhunderts im anthroposophischem Kontext gestellten Fragen sind heute gesellschaftliche Grundproblematik der zivilisierten Welt geworden. Eine partielle Integration der anthroposophischen Ansätze in das kulturelle Leben der westlichen Welt zeichnet sich ab. Ein Anknüpfen an die Gründungsimpulse der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft konturiert den Schwerpunkt im Ausbau der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft. Heute besteht die Anthroposophische Gesellschaft mit 52000 Mitgliedern und Landesgesellschaften in 50 Ländern. Weltweit arbeiten ca. 10000 Einrichtungen auf anthroposophischer Grundlage.
Das Goetheanum
Das Goetheanum in Dornach südlich von Basel (Schweiz) ist ein Haus der Kultur und ein Ort internationaler Begegnung und Zusammenarbeit. Es ist Sitz der von Rudolf Steiner 1923 inaugurierten Freien Hochschule für Geisteswissenschaft und der All- gemeinen Anthroposophischen Gesellschaft.
Es beherbergt Forschungsinstitute, eine Theater- und Eurythmiebühne, Ausbildungsstätten und eine öffentliche Bibliothek. Das Goetheanum als Freie Hochschule für Geisteswissenschaft stellt einen Raum für spirituelle Entwicklung zur Verfügung. Ein Raum, in dem interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Lebens- und Fachbereiche gesucht wird; indem ein zivilgesellschaftliches Engagement entstehen kann, das die Herausforderungen der Zeit aufgreift. Als Sitz der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft schafft das Goetheanum Gelegenheit für die Begegnung von Menschen aus allen Kulturen und Kontinenten.
Die von Rudolf Steiner 1923/24 gegründete Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft versteht sich als «eine Vereinigung von Menschen (…), die das seelische Leben im einzelnen Menschen und in der menschlichen Gesellschaft auf der Grundlage einer wahren Erkenntnis der geistigen Welt pflegen wollen.» (§1 der Statuten). Sie ermöglicht die Arbeit der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft mit ihren elf Fachbereichen (Sektionen) und hat Landesgesellschaften in vielen Ländern der Welt, in denen sich die Mitglieder für die Anthroposophie engagieren.
Weitere Informationen
- Der Goetheanum-Bau
- Film
- Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft
- Freie Hochschule für Geisteswissenschaft
Erkenntnisweg
In ihrem Kern ist Anthroposophie ein Weg, der Stufenweise das Wesen des Menschen enthüllt und den einzelnen Menschen durch die Selbsterkenntnis zu einem Erkennen des Geistigen in der Welt führen kann. Sie ist ein Weg der Liebe.
Der Mensch ist dem Weltlaufe gegenüber nicht ein müßiger Zuschauer, der innerhalb seines Geistes das bildlich wiederholt, was sich ohne sein Zutun im Kosmos vollzieht, sondern der tätige Mitschöpfer des Weltprozesses.
Dieses zusammenfassende Resultat von Rudolf Steiners Dissertation hat Konsequenzen für eine Theorie und Praxis der Erkenntnis sowie für die Ethik: die Wirklichkeit kann nicht ohne aktiven Beitrag des Menschen hervorgebracht werden. Und die Gestalt der Wirklichkeit ist zunehmend auch von seinem handelnden Beitrag abhängig. Der Mensch ist somit weder vollständig an sein So-sein gebunden, noch beliebig frei, sondern hat die Möglichkeit, sich zunehmend zu einem freien Wesen durch eigene Kraft zu entwickeln.
Mit freundlicher Genehmigung durch anthromedia.net zur Verfügung gestellt.