Auf Bitten zahlreicher Personen entschloß sich Rudolf Steiner im Jahre 1924, in Koberwitz einen Vortragszyklus über Landwirtschaft auf anthroposophischer Grundlage zu halten. Nach Rudolf Steiner war es das Ziel zu solchen praktischen Gesichtspunkten zu kommen, die zu dem damals durch praktische Einsicht und wissenschaftliche Untersuchungen Gewonnenen das hinzuzufügen, was von einer geistgemäßen Beleuchtung der einschlägigen Fragen gegeben werden konnte. Der „Versuchsring anthroposophischer Landwirte“ erprobte umgehend die Angaben Steiners in der landwirtschaftlichen Praxis.
Drei Jahre später wird eine „Verwertungsgenossenschaft für Produkte der Biologisch-Dynamischen Wirtschaftsmethode“ gegründet. Heute, 80 Jahre nach dem Landwirtschaftlichen Kurs, bewirtschaften weltweit ca. 3500 Betriebe 670.000 ha und mehr als 3500 Demeter-Produkte von der italienischen Antipasti über das kräftige Vollkornbrot, den Spitzen-Wein bis zum preisgekrönten Eis, Textilien und Kosmetika sind im Fachhandel zu haben. Die Demeter-Markengemeinschaft ist weltweit die größte Anbietergruppe kontrolliert ökologischer Waren.
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Entwicklungsgeschichte
Biologisch-Dynamische Landwirtschaft
Die Biologisch-Dynamische Wirtschaftsweise orientiert sich am „Landwirtschaftlichen Kurs“, der 1924 auf Bitten von Landwirten von Rudolf Steiner in Koberwitz bei Breslau gehalten wurde.
Der biologisch-dynamisch wirtschaftende Landwirt und Gärtner berücksichtigt die irdischen und kosmischen Lebenszusammenhänge und Rhythmen. Neben dem Verzicht auf chemisch-synthetische Düngemittel und Pestizide führt dies zu einem standortgemäßen Fruchtwechsel, einer wesensgemäßen Tierhaltung und -fütterung sowie zu Sozialformen, die über den klassischen Familienbetrieb hinausweisen.
Die Verlebendigung der Erde erfolgt im Zusammenhang mit den biologisch-dynamischen Präparaten, die, aus Heilpflanzen, Kuhmist, Bergkristall und Tierhüllen gewonnen, in kleinsten Entitäten angewandt als Heilmittel wirken. Sie fördern die Entwicklung der Pflanzen und ihre Lebenskräfte, indem sie harmonisierend auf sie Einfluß nehmen. Im Zusammenklang von Mensch, Tier und Pflanze, im Sinne von Kreislauf und Entwicklung, wird der Betrieb zu einem „landwirtschaftlichen Organismus“ und einer Betriebsindividualität.
Die biodynamischen Präparate
Die Präparate vermitteln Kräfte, die aus der umgebenden Luft, dem Boden und der gesamten Biosphäre kommen. Wir unterscheiden zwischen den Kompostpräparaten und den Spritzpräparaten.
Die Kompostpräparate
Sie dienen dem lebendigen Aufbau des Bodens. Die Präparate Schafgarbe, Kamille, Brennessel, Löwenzahn, Eichenrinde und Baldrian bringen die wichtigsten Pflanzennährstoffe in eine organische Ordnung. Der Jahresrhythmus spielt eine wesentliche Rolle. Der Boden als Grundlage für gesundes Wachstum benötigt Pflege. Einseitige Wettersituationen bedeuten für den Boden und die Pflanzen oft Stress. Mit solchen Stessituationen muss der Landwirt umgehen können.
Die Spritzpräparate
Sie sind bekannt unter der Bezeichnung Hornmist (Präparat 500) und Hornkiesel (Präparat 501). Beide Präparate begleiten die Pflanze während ihres ganzen Lebens von der Aussaat bis zur Ernte. Beide Spritzpräparate sind nach einer einstündigen Dynamisierung einsatzbereit.
Die kosmischen Einflüsse
Der Lebensraum der Pflanzen erstreckt sich von der Wurzeltiefe unter der Erde bis in den planetarischen Raum. In dieser Polarität entwickelt sie sich. Der Jahreslauf ist ein wichtiger Faktor für die Gestaltung der Lebensrhythmen. Insbesondere werden die Einflüsse des Mondes beachtet. Auch die übrigen Planeten haben Einfluss auf Entwicklung der Pflanzen. Die Erde hat ihre eigenen Rhythmen. Allein durch ihre Drehung um die eigene Achse innerhalb von 24 Stunden entstehen pulsierende Bewegungen. Die mit der Aus- und Einatmung beim Menschen vergleichbaren Veränderungen innerhalb der Atmosphäre haben auf die Pflanzen den grössten Einfluss. Alle pflanzlichen Lebensprozesse ordnen sich in diesen Tagesrhythmischen Verlauf ein. Wir finden diese Polaritäten überall vor, wo wir es mit pflanzlichem Leben zu tun haben: Erde-Kosmos, Ausatmen-Einatmen, Quantität-Qualität.
Die artgerechte Tierhaltung
Nicht nur die Pflanze wird so gepflegt und gehegt, dass sie sich in ihrem Umfeld harmonisch entwickeln kann, auch die Tiere werden möglichst artgerecht gehalten. Kulturpflanzen sind ohne die umsichtige Pflege des Landwirtes oder Gärtners nicht überlebensfähig. Auch unsere Haustiere haben sich durch die Jahrtausende alte Beziehung zum Menschen domestiziert und sind auf den menschlichen Kontakt eingestellt und angewiesen. Eine artgerechte Haltung von Nutztieren will ein Gleichgewicht herstellen von Leistung, Fruchtbarkeit, Gesundheit und Lebensdauer.
Die Hofindividualität
Für den biodynamischen Landwirt oder Gärtner sind die klimatischen und örtlichen Verhältnisse seines Betriebes die prägenden und gleichzeitig auch begrenzenden Faktoren auf seinem Betrieb. Die Futtergrundlage ist dadurch gegeben und bestimmt die mögliche Zahl der Tiere, die davon ernährt werden können. Daraus wiederum geht die Düngermenge hervor, die zur Verfügung steht. Dies sind die Grundlagen der gesamten Produktion eines biodynamischen Betriebes. Als Individualität wird es deshalb bezeichnet, weil ein möglichst geschlossener Stoffkreislauf angestrebt wird, ohne Fremdzufuhr von Dünger (Mist oder Kompost) und Futtermittel. Ein in sich geschlossener Betriebsorganismus ist eine Zielvorstellung in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft.
Ernährung
Ernährung war durch die Reformbewegung ein aktuelles Thema zu Rudolf Steiners Zeiten. Trotzdem wurde der Ernährungsimpuls erst später durch Vertreter der biologisch-dynamischen Landwirtschaft und der anthroposophischen Medizin aufgegriffen. Ehrenfried Pfeiffer beschäftigte sich mit der Nahrungs- und Ernährungsqualität. Der Chemiker Rudolf Hauschka befasste sich mit Ernährungsversuchen, die er in seinem Buch „Ernährungslehre“ beschrieb. Der Arzt Gerhard Schmidt leitete von 1963-1970 die Sektion für Landwirtschaft und Ernährung am Goetheanum und führte u.a. mit Udo Renzenbrink Versuche mit Gerste in der Ernährung durch, um den wenig gebräuchlichen Getreidearten wieder einen Platz in der täglichen Kost zu sichern. Gerhard Schmidt legte sein Wissen in den drei Bänden „Dynamische Ernährungslehre“ nieder. Udo Renzenbrink gründete 1970 den Arbeitskreis für Ernährungsforschung in Bad Liebenzell/DE (heute in Bad Vilbel/DE) und erreichte mit seiner intensiven Kurs- und Vortragstätigkeit, dass in den anthroposophischen Institutionen ein Ernährungsbewusstsein entstand und die Getreidekost vermehrt eingeführt wurde. Um allen sieben Getreidearten in der Ernährung zu berücksichtigen, entwickelte er eine Kost, an der an jedem Wochentag mit seiner Planetenzugehörigkeit ein bestimmtes Getreide gegessen wird (z.B. Sonntag = Sonne und Weizen). Diese heute durchaus nicht unumstrittene Zuordnung fand sehr großen Anklang und bestimmt den Speiseplan vieler Institutionen und Familien. Ihr Vorteil ist eine rhythmische Ernährung, die vor allem Kinder zugute kommt.
Grundsätze
Ernährung wirkt auf den ganzen Menschen, d.h. auf seinen Körper, seine Vitalität und seine seelisch-geistige Verfassung. Daher gab Rudolf Steiner schon in seinen frühen Vorträgen vor 100 Jahren Ernährungshinweise, nicht nur für den Esoteriker, sondern für alle Menschen. Mit der biologisch-dynamischen Landwirtschaft kam ein Bewusstsein nicht nur für die Auswahl der Lebensmittel wie Getreide oder Kartoffel, sondern auch für die Anbauqualität hinzu. Damit erfüllt diese Landbaumethode nicht nur einen Dienst an der Erde, sondern die erhaltenen Lebensmittel ergeben für den Menschen eine gesunde Nahrungsgrundlage.
Die anthroposophische Ernährungsweise unterscheidet sich in verschiedenen Aspekten von anderen „alternativen“ Ernährungsformen wie der Vollwerternährung oder Trennkost.
So hat sie nicht die naturwissenschaftliche Erkenntnisgrundlage, sondern sie erweitert die naturwissenschaftliche Ernährungslehre durch eine ganzheitliche Anschauung vom Menschen als ein körperlich-vitales und seelisch-geistiges Wesen. Daher benötigt der Mensch nicht nur Nährstoffe, sondern Impulse für seine Vitalität und seelisch-geistigen Bereiche durch die Nahrung. Es gibt es keine festgelegten Vorschriften zur die Verwendung bestimmter Lebensmittel für den einzelnen Menschen. Dies muss jeder selbst entscheiden.
Die Verwendung der Lebensmittel ist von der jeweiligen Kultur und Landwirtschaft einer Region geprägt. So isst man in Asien anders als in Amerika, in Südeuropa anderes als in nordeuropäischen Ländern. So wäre das in Mittel- und Osteuropa populäre Roggenvollkornbrot in Südeuropa oder gar tropischen Ländern ganz ungewöhnlich und wahrscheinlich nicht sehr bekömmlich. In Amerika ist der Verzehr von Mais üblich, in Europa nur in geringem Maße. Hirse wird traditionell in Afrika viel gegessen, in Asien weniger. Daher kann Ernährung nicht global einheitlich sein, sondern gliedert sich nach den Bedürfnissen und der Kultur der Menschen wie auch des Klimas. Der anthroposophische Ernährungsimpuls ist daher frei in der konkreten Ernährungsempfehlung und berücksichtigt die kulturellen Besonderheiten.
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Anthroposophische Ernährung
orientiert sich an den individuellen Bedürfnissen des Menschen, hat also keine Ernährungsvorschriften. Sie entstand am Anfang des 20.Jh. als Erweiterung der naturwissenschaftlichen Ernährungslehre, und aus der Berücksichtigung nicht stofflicher Seinsebenen (Ätherischem, Geistigem). Anthroposophie heißt Weisheit vom Menschen, sie wurde von Rudolf Steiner (1861-1925) begründet. Die anthroposophische Ernährung basiert auf diesem Natur- und Menschenverständnis und ist allen Kulturen offen. Im Detail kann die Praxis der anthroposophischen Ernährung in den einzelnen Ländern und Kulturkreisen anders gestaltet sein.
In der Anthroposophischen Ernährung werden außer Nähr- und Wirkstoffen auch Wachstums- und Reifekräfte (Bilde- und Vitalkräfte) der Lebensmittel als Qualitätsfaktoren mit einbezogen . Daraus leiten sich Ernährungs- und Qualitätsempfehlungen ab. Für die Ernährung sollten die Lebensmittel möglichst aus biologisch-dynamischem Anbau stammen. Bei der Verarbeitung ist es wichtig, dass die hohe landwirtschaftliche Qualität sich fortsetzt und den Bedürfnissen des Menschen entspricht. Die Lebensmittel sollten fair gehandelt werden (fair economy, assoziatives Wirtschaften).
Zudem gibt es Empfehlungen, Rhythmen der Natur (Jahreszeiten) und regionale Produkte einzubeziehen. Aufgrund des anthroposophischen Naturverständnisses werden Wirkungen von Lebensmitteln z.B. von Getreide und Kartoffeln beschrieben, die aber keine generelle Empfehlung für Verwendung oder Weglassen darstellen. Es kann durchaus ein Lebensmittel für einzelne Menschen geeignet sein, während es für andere ungünstig wäre.
Diese Beurteilung beruht auf dem anthroposophischen Menschenverständnis. Hiernach wird der Mensch nicht nur als körperliches Wesen, sondern mit eigenständigen vitalen, psychischen und geistigen Bereichen gesehen. z.B. eine mögliche Differenzierung nach Konstitutionstypen (Temperamenten) oder die Einbeziehung von Körperrhythmen.
Freie Nahrungswahl und Eigenverantwortung
Die Anthroposophische Ernährung lässt den Menschen frei in seiner Nahrungswahl, setzt auf Erkenntnis (Aneignung von Ernährungswissen), Wahrnehmung der Essbedürfnisse (innere Zufriedenheit) und eigenverantwortliche Umsetzung (aktives Handeln). Dies erfordert geistiges Interesse und sensible Sinneswahrnehmungen bzw. deren Schulung von Kind an. In der Ernährungspraxis hat sich eine überwiegend ovo-laktovegetabile Ernährung mit wenig oder ohne Fleisch und Fisch bewährt. Als Grundnahrungsmittel werden die Getreidearten bevorzugt.
Die Sinneswahrnehmungen „Ernährung durch die Sinne“ gelten als wichtige Komponenten der Ernährung. Eine bewusste Esskultur (regelmäßige Mahlzeiten, Ruhe, Essen in Gemeinschaft, gemütliche Tischatmosphäre) wird darüber hinaus als Teil der Anthroposophischen Ernährung verstanden.
Praktischer Ansatz
Es gibt keine Vorgaben für die genaue Ausgestaltung der täglichen Ernährung. Dies ist in die Freiheit des einzelnen gelegt. Allerdings setzt solche individuelle Kost voraus, dass man sich mit Ernährungsthemen beschäftigt, Grundkenntnisse erwirbt und eigene Erfahrungen sammelt. Ernährungsempfehlungen werden nicht als Vorschriften gegeben, sondern als Hilfe für die tägliche Kost. Sie beschreiben oft die Wirkung bestimmter Lebensmittel und ermöglichen dem einzelnen somit eine Entscheidung.
Rudolf Steiner führte dazu in einem Vortrag aus:“ Nicht wahr, die Leute kommen und sagen: Ist es besser keinen Alkohol zu trinken oder ist es besser Alkohol zu trinken! Ist es besser Vegetarier zu sein oder Fleisch zu essen! Ich sage überhaupt niemals einem Menschen, ob er den Alkoholgenuss unterlassen soll oder ob den Alkohol trinken soll, ob er Pflanzen essen oder Fleisch essen soll, sondern ich sage zu dem Menschen: der Alkohol wirkt so und so.
Ich stelle ihm einfach dar, wie er wirkt, dann mag er sich entschließen zu trinken oder nicht. Und so mache ich es schließlich auch beim Pflanzen- und Fleischessen. Ich sage: so wirkt das Fleisch, so wirken die Pflanzen. Und die Folge davon ist, dass der Mensch sich selber entschließen kann. Das ist das, was man vor allen Dingen in der Wissenschaft haben muss: Respekt vor der menschlichen Freiheit.“ (R. Steiner: Ernährung und Bewußtsein. Themen aus dem Gesamtwerk Stuttgart 1994. S. 142f.)
Wichtig ist es somit, sich Urteilsgrundlagen zu schaffen, um eine angemessene Ernährung zu finden. Dies mag unbequemer sein als festgefügte Gebote, ist aber unabdingbar für die heutige Zeit.
Aufgrund der Beurteilung einzelner Lebensmittel gibt es bestimmte Empfehlungen. So hat sich eine Vollwerternährung entwickelt, die Getreide als Grundnahrungsmittel verwendet. Ebenso führten die Ausführungen Rudolf Steiners und Erfahrungen vieler Menschen dazu, dass tierische Nahrungsmittel wie Fleisch und Fisch in geringen Mengen gegessen werden bzw. dass eine ovo-lacto-vegetarische Kost (mit Milch und Eiern) bevorzugt wird. Dies hängt aber von der Entscheidung des einzelnen Menschen und seinen Bedürfnissen ab.
Mit freundlicher Genehmigung durch anthromedia.net zur Verfügung gestellt.