Text: Norbert Liszt, Wien
Die Erdoberfläche besteht zu zwei Drittel aus Wasser und das gleiche Verhältnis fest zu flüssig findet man auch im menschlichen Körper. Das Wasser hat im Grunde keine bestimmte Form. Es passt sich einerseits an die Formen der Umgebung an, andererseits bildet es durch Auflösung, Auskristallisation und Bewegung neue Formen. Wasser ist das sich Hingebende. Es bildet mit der Gestalt der Erde ein Ganzes – die Oberfläche der Meere passt sich der Kugelform der Erde an und der (Tau-)Tropfen bildet diese nach.
Die Lebenskräfte bedienen sich des Wassers, dass Pflanze, Tier und Mensch die ihrem Wesen entsprechenden Formen bilden können. Wasser löst Substanzen aus dem Festen heraus und ermöglicht so, dass sie den Lebewesen zugeführt und von diesen aufgenommen werden können.
Alle Stoffe, die vom Körper aufgenommen werden, müssen so geartet sein, dass sie in den Körpersäften gelöst werden können. Das beginnt bereits in der Mundhöhle durch den Speichel und setzt sich im übrigen Verdauungstrakt fort.
Der menschliche Organismus besteht zu etwa 65 Prozent aus Wasser, wobei der Wasseranteil mit dem Erwachsenwerden abnimmt. Beim Neugeborenen beträgt er bis zu 75 Prozent. Das flüssige Element im menschlichen Körper hält sich beim Erwachsenen auf einem konstanten Niveau und zeigt sich damit autonom gegenüber äußeren Einwirkungen.
Das Blut dient dem Transport von Sauerstoff und Nährstoffen zu den Organen und deren Zellen, ebenso wie dem Abtransport von Stoffwechselprodukten. Der Wasserhaushalt im Körper wird unter anderem hormonell reguliert.
Bei ungenügender Wasserzufuhr gibt der Organismus weniger nach außen ab und versucht so seinen Wasserhaushalt stabil zu halten. Das Blut, als das Zentrum des Wasserorganismus, ist in dieser Beziehung besonders resilient. Es sorgt dafür, dass seine Zusammensetzung unter allen Umständen stabil bleibt, indem es, in akuten Fällen von Wasserknappheit, den anderen Geweben Wasser entzieht.
Muskelgewebe enthält in seinen Zellen ungefähr 75 % Wasser. Das Blutplasma enthält zu 90 bis 95 % Wasser, das Körperfett 25 % Wasser und auch die Knochen haben noch einen Wasseranteil von 22 %.
Kreisläufe des Wassers
Erwachsene nehmen täglich etwa 35g Wasser pro kg Körpergewicht auf und geben 40g ab (die größere Menge abgeschiedenen Wassers ergibt sich durch die Kohlehydrat-Verbrennung, bei der sich Wasser bildet.
Die Ausscheidung des Wassers erfolgt über unterschiedliche Prozesse und durch verschiedene Körperorgane. Über die Lungenatmung wird täglich etwa ein halber Liter und über die Hautatmung werden im Durchschnitt 0,7 l pro Tag abgegeben. Wenn der Mensch schwitzt, kann diese Menge auf das 4-5fache vergrößert werden. Die Nieren sondern im Durchschnitt zwei Liter ab, und mit der Darmentleerung wird je nach Zusammensetzung der Kost ca. ein zehntel Liter abgesondert. Somit bewegt sich also eine Menge von 3-7 Liter Wasser täglich von innen nach außen.
Zu dem Außen-Innen-Außen-Kreislauf kommt der innere Kreislauf dazu. Von den Speicheldrüsen, dem Magen, der Bauchspeicheldrüse, der Gallenblase und den Darmdrüsen werden täglich 5-10l Flüssigkeit in den Darm abgeleitet, wobei der größte Teil über den Dickdarm dem Organismus per Venen- und Lymphstrom wieder zugeführt wird. Dieser innerste Teil des Stoffwechsels vollzieht sich zwischen den Organen und der langsam fließenden Lymphe. Er ist der engere Wirkungsbereich des Äther- oder Bildekräfte-Leibes, der Ursprung aller Lebensvorgänge ist und diese beträchtlichen Flüssigkeitsströme in Bewegung versetzt. Er ist die lebentragende Ganzheit, welche die Stoffe ergreift und die physikalisch-chemischen Vorgänge einer höheren Ordnung zuführt – dem Leben.
Der Ernährungsprozess
Schon bei der Aufnahme der Nahrungsstoffe kommen Kräfte ins Spiel, die sich den physikalisch-chemischen Vorgängen gegenüber als übergeordnet erweisen. Die ätherischen Bildekräfte durchdringen den Ernährungsprozess und bewirken, dass feste Stoffe im Wasserelement aufgelöst und so vom Organismus assimiliert werden können. Auf diese Weise wird der Bestand des gesamten menschlichen Organismus, der in einer sehr besonderen Art mit der aufgenommenen Nahrung verfährt, gesichert. Die mit der Nahrung aufgenommenen Eiweißstoffe, Kohlehydrate und Fette werden bis in ihre elementaren Bestandteile zerlegt und dann wieder zu den spezifischen, dem Individuum entsprechenden hochmolekularen Organstoffen aufgebaut. Das Zentralorgan des Aufbau- und Umbaustoffwechsels ist die Leber.
Dabei wird klar, dass der menschliche Organismus nicht einfach ein aus einzelnen Bestandteilen zusammengesetztes Vielfaches ist, sondern eine höhere Einheit, die darüber bestimmt, auf welche Weise und zu welchem Zweck die Nahrungsbestandteile in den Organismus eingefügt werden können. Die Nahrungsstoffe werden zunächst einem Entvitalisierungsprozess unterzogen und anschließend neu belebt. Sie gehen durch einen Todesprozess, und alle Substanzen, die der Organismus nicht in dieser Weise entvitalisieren kann, sind für ihn Gifte¹.
Das Blut – ein ganz besonderer Saft
Stellen wir uns den Blutkreislauf vor, so lebt in uns gewöhnlich die Vorstellung, dass sich zuerst das Herz und die Blutgefäße gebildet haben, damit das Blut fließen kann. Doch Forschungen der Embryonalentwicklung haben ergeben, dass es der Inhalt, also das Blut selbst ist, das sich die Gefäße und die Herzanlage schafft. Auch die Entwicklung des Kreislaufs geht vom Blut selbst aus. Ursprünglich ist eine Blutbewegung vorhanden, zu der sich erst später das pulsierende Herz gesellt. Das bedeutet, dass man das Herz nicht als Pumpe bezeichnen kann, welche das Blut in die diversen Körperregionen treibt. Es ist die Blutbewegung, welche den Kreislauf impulsiert.
„Was uns als Blut durchpulst, ist eine solche Substanz dadurch geworden, dass in dem Menschen ein Ich wohnt“.²
Das Blut ist das Organ der Ich-Tätigkeit und durch diese Tätigkeit bildet sich ein Organismus, in dem sich das Ich ausleben kann. Diese Tatsache macht das Blut zum besonderen Saft.
„Lernt man erkennen das rhythmische System, wie es sich ausprägt in der Gestaltung des Atmungsverlaufes, des Blutsverlaufes, so bricht man mit dem Aberglauben, dass das Herz eine Pumpe ist, die das Blut wie irgendein Gewässer durch den Organismus treibt. Dann lernt man erkennen, dass das Geistige eingreift in die Blutzirkulation, dass also da der Rhythmus den Stoffwechsel ergreift, die Blutzirkulation bewirkt und dann im Verlaufe der menschlichen Entwickelung, schon in der Embryonalentwickelung, das Herz herausplastiziert aus dem, was der Blutkreislauf ist, so dass das Herz aus dem Blutkreislauf heraus, also aus dem Geistigen heraus gebildet ist“³.
Die Ich-Haftigkeit des Blutes offenbart sich auch durch ihre Sensibilität gegenüber Fremdstoffen. Die Stoffe, die sich im Blut bewegen, sollen die Ich-Prägung tragen und was dieser Prägung nicht entspricht, wird abgestoßen.
In der Antike widmeten die Vertreter der Humoralpathologie der Zusammensetzung und Bewegung der Körperflüssigkeiten besondere Aufmerksamkeit. Sie konstatierten, dass Gesundheitszustand und Konstitution des Menschen von der Funktion und vom Mischungsverhältnis der vier Körpersäfte – Schleim, Blut, gelbe und schwarze Galle – abhängig sind. Diese wiederum ordnete man den vier Elementen zu: Feuer/gelbe Galle, Luft/Blut, Wasser/Schleim und Erde/schwarze Galle. Doch damit nicht genug, hinter dem Sinnenschleier fanden sie Analogien zum Seelisch-Geistigen des Menschen, zu den Temperamenten, zu göttlichen Wesenheiten, den Sternbildern, … Diese große Dimension des Menschseins auf eine neue Art und Weise wieder zu erfassen und weiter zu entwickeln, ist auch Arbeitsfeld der anthroposophischen Geisteswissenschaft – der Mensch, ein Mikrokosmos, der im Makrokosmos seine Wurzeln hat.
Quellen: ¹ Husemann, Wolff, Das Bild des Menschen als Grundlage der Heilkunst
² Rudolf Steiner, Das Johannesevangelium, GA 112, S. 48
³ Rudolf Steiner, Die Verantwortung des Menschen für die Weltentwicklung, GA 203, S. 151f