Die Krabbelstube des modernen Welthandels

Text: Reinhard Apel.

Der Geist der Neuzeit.

Über dem Menschen der Engel, über dem Engel der Erzengel, über diesem der Archai oder Zeitgeist einer Epoche. Zu Beginn der Neuzeit trennt der Zeitgeist die Portugiesen von den Spaniern ab, um mit ihrer Hilfe den Erdball zu entdecken. Sie sind eine Zeit lang wie ein Werkzeug für ihn. So Rudolf Steiner sinngemäß in GA 121, VT 3.

Es hat zwar das menschliche Bewusstsein schon in Marco Polo den Verlauf der Seidenstraße ostwärts erkannt (1275 bei Kublai Kahn) doch noch kümmert es niemanden. Erst im 15. Jhdt. zieht ein neuer Geist in die Menschheit ein. Das Interesse wendet sich notwendig von Innenwelten ab und der Außenwelt zu, um dort quasi den Anker zu werfen und nicht der Erde zu entschweben (GA 205, Absatz 30).

In Portugal

weht ein neuer Wind. Der aus den Resten des Templerordens gegründete Christusorden ist der innere Motor der plötzlich anhebenden Entdeckungsfahrten. Heinrich der Seefahrer, König und Ordensoberer, schickt Schiff auf Schiff gen Süden. Das, obwohl das Land zunächst kaum Mittel hat für solche Unternehmungen. Die Idee treibt an, das noch recht unbekannte Afrika an den Küsten zu erforschen, sodann irgendwie südlich zu umfahren und den Ungläubigen (Konstantinopel fällt 1453) den Orienthandel zu entreißen. Zudem sucht man den Priesterkönig Johannes.

Man denke: Die Seeleute tasten sich die Küste Afrikas entlang nach Süden, aber es ist hart: They go indeed where no one went before. Deutlich unter Wharp besteigt man die mehr und mehr hochseetauglichen Karavellen. Sie können erstmals gegen den Wind kreuzen. Es geht in Gewässer die niemand kennt, hinter dem Kap Bojador werden Seeungeheuer und Schlimmeres vermutet. Später ist die Enttäuschung groß, als der Kontinent sich zwar nach einigen Fahrten nach Osten wendet, dann aber wieder ewig südwärts verläuft. Mein Gott: es ändern sich die Sterne am Firmament! Heinrich muss seinen ganzen Willen aufwenden, damit seine Kapitäne weitermachen. 1487, von den Flügeln des Zeitgeistes getragen und zugleich von Meuterei bedroht, erreicht Bartolomeu Diaz das Cabo Tomboso (Kap der Stürme). Das klingt in Portugal zu negativ, also wird das Kap der guten Hoffnung daraus. Vor Ostafrika und im Indischen Ozean sind die Winde günstiger und ein arabischer Herrscher hilft mit Kenntnissen aus.

Vasco da Gama

erreicht in der Folge am 20. Mai 1498 als erster europäischer Seefahrer Indien und landet an der Malabarküste nahe Calicut (≠ Kalkutta). Obwohl ihm, erst im Alter Christusritter, eine gewisse Härte in Indien nachgesagt wird, ist den Portugiesen insgesamt eine merkurielle Leichtfüßigkeit eigen. Sie wollen den Gewürzhandel und bekommen ihn. Der Entdeckergeist drängt aber weiter, die Wege sind nun vor Ort bekannt und so besegelt man rasch ganz Südostasien bis vor Japan.

Die Portugiesen legen Stützpunkte und Manufakturen an, ja, sie bringen die ersten Schwarzen als Sklaven nach Europa (keine Idee Heinrichs). Sie bauen ein

Imperium, werden dann im Laufe des 17. Jahrhunderts von Engländern,Franzosen und Holländern sukzessive beerbt, die (zuvor noch Piraten) sich an die volle Verwertung der Gebiete machen. Das ist jetzt echter Kolonialismus, vollständige Territorialherrschaft inklusive.

Was Portugal im Wesentlichen tut ist den Globus entdecken und Wege bahnen für spätere Entwicklung.

Die Spanier?

Christoforo Colombo wird in Genua geboren und nach Schiffbruch an die Küste Portugals gespült. Er durchlebt als Cristóvão Colombo eine jahrelange Vorbereitung, wird Kapitän, kommt an Seekarten, versteht nun den Passat. Nur weil man ihm (korrekter Weise) nicht glaubt, dass Indien westwärts näher liegt, geht er nach Spanien. Er ist der eine Mensch, der die Umkehr im weiten Atlantik verhindert. Kolumbus stirbt in dem Glauben die Inseln vor Japan über die Westroute erreicht zu haben.

Fernão de Magalhães ist Portugiese und wird in Portugal umfassend als Seemann ausgebildet, kommt auf der Ostroute bis nach Malaysia. Westwärts segelt er später unter spanischer Flagge. Anders kaum möglich, weil der Papst als Vermittler den Westen Spanien zugesprochen hat. Ohne Magellans Präsenz wären die spanischen Kapitäne im Süden Amerikas umgekehrt. 1520 wird die Magellanstraße entdeckt, dann der Pazifik.

Es sind reizvolle biografische Wendungen, die beide Kapitäne innig mit Portugal verbinden ( >Wikipedia). Lissabon oder Sagres war der Think Tank für Seefahrten nicht Madrid.

Die Spanier sind Conquistdores und Entdecker zu Land. Gold und Territorien interessieren, das Entdecken von Seewegen eher nicht.

Verbindung

Die Taten der Portugiesen schaffen die Grundlage des Überseehandels bis hin zur heutigen Globalisierung. 2017 gingen über 90 % des Warentransportes über Wasser. Im Mittealter wurde nahezu alles lokal erzeugt, wodurch Wirtschaft als eigener sozialer Faktor unbewusst blieb. Nun tauchen ökonomische Verkettungen auf. Macht bedeutete Herrschaft über Länder. Sie entsteht heute mehr durch wirtschaftliche Tätigkeit und dominiert die Politik. Ein Problem im Rechtsempfinden des modernen Menschen. Es bleibt der Zukunft vorbehalten, die wirtschaftlich Gestaltenden in einem freien Geistesleben so heranzuziehen, dass diesen die Stimmung der Brüderlichkeit an dem Erleben der wirtschaftlichen Verkettungen und Zusammenhänge in Ihrer Seele bewusst wird. Dazu gehört, wie sie in der portugiesischen Ära allmählich entstanden sind. Nicht Askese oder Moral, sondern das Einleben in die Praxis wird hier der Lehrmeister sein. Gelingt es, durch inniges Zusammenarbeiten und sich Verständigen in der Assoziation die Produktivität zu steigern, ist sogleich deutlich, wie ständiges privates Herausziehen von Ressourcen den wirtschaftlichen Prozess hemmt. So kommt pragmatisch die Brüderlichkeit zum Vorschein. Dann erhält die Globalisierung ein menschliches Antlitz.

Permalink