Text: Ruth-Marie Schwarzinger, Gemmologin GWA, EG
Das geologische Alter der Erde wird nach heutigen Erkenntnissen der Wissenschaft mit rund 4,6 Milliarden Jahren angegeben. Nachweislich kann dies anhand bestimmter Elemente der Erdkruste bestimmt werden. Das Mineral Zirkon (früherer Name: Hyazinth) mit seinen natürlich radioaktiven Bestandteilen ist ungefähr so alt wie die Erde selbst. Als silikatische Verbindung von Quarz enthält es reine kristallisierte Kieselsäure (Siliziumdioxid, SiO2) als Hauptelement. Die Kieselsäure ist die gestaltbildende Formkraft innerhalb der anorganischen Welt und Grundlage für alle Lebensprozesse.
Als Mineral ist der Quarz gemeinsam mit Feldspat und Glimmer der Gesteinsbildner des Granits, dem ältesten und härtesten Gestein dieser Erde. Als Kristall finden wir ihn als farblosen Bergkristall, violetten Amethyst oder gelben Citrin in vielen Teilen dieser Welt.
Sämtliche kieseligen Urgesteine und das gesamte Mineralreich gehen aus einer früheren, plastisch-weichen Erdvergangenheit hervor, wo noch das alte P f l a n z e n element hineinspielt. Erkennbar ist dies heute noch bei weicheren Gesteinen wie Glimmer, Schiefer oder Gneis. Als Muttergestein beherbergen sie in edelsteinführenden Zonen der Erde bestimmte Edelsteine wie beispielsweise Smaragde. Sie haben eine geringere Härte als andere Edelsteine (6,5 – 7 auf der 10-stufigen Härteskala nach Mohs), dafür aber eine besonders intensive Leuchtkraft, wodurch sie, als Edelstein geschliffen, zu den begehrtesten und wertvollsten Schmuckobjekten dieser Welt zählen. Auch andere sogenannte „Grünsteine“ haben diese Eigenschaften, wie beispielsweise Edelsteine aus der Jade-Gruppe oder der apfelgrüne Chrysopras.
Die weichen, basischen Kalkgebilde wie Kalk, Gips und Marmor stammen hingegen von tierischen Knochen- und Schalenbildungen ab und sind der jüngeren Erdvergangenheit zuzurechnen. Heute finden wie diese als Muscheln, Perlen und Korallen im Schmuckbereich.
Die Geschichte der Erde und ihrer Gesteine, Minerale und Kristalle ist eng mit der des Menschen verbunden. So besteht zwischen Edelsteinen und menschlichen Sinnesorganen ein enger Entwicklungszusammenhang. Sie sind in ihrer Anlage zeitgleich entstanden. Der menschliche Körper trägt das Mineralreich in sich: Er besteht zu rund 70% aus Sauerstoff (63%), Kohlenstoff, Wasserstoff und Stickstoff. Der Rest sind andere Elemente und Spurenelemente in zum Teil kleinsten, aber lebenswichtigen Mengen. Alle diese Elemente stammen vorwiegend aus der Lithosphäre und nur zu einem geringen Teil aus der umgebenden Luft. Das menschliche Knochensystem ist stofflich mit der Erdkruste verwandt.
Die Erde lebt, die Erde schenkt.
Mit der Erde verbinden wir zunächst den festen Boden, auf dem wir gehen, unsere Häuser bauen, wo unsere Saaten wachsen und unsere Tiere leben. Die Wurzelkraft der winterlichen Gemüse und Früchte spendet Kraft und Wärme für unseren Organismus. Wenn der Mensch sich e r d e n will, sucht er Ordnung, Stabilität und Sinnlichkeit. In bewegten Zeiten, wenn kein Stein mehr auf dem anderen steht, verlieren wir leicht den Bezug zu uns selbst. Die Erde vermittelt uns Sicherheit, denn wir nehmen sie als statisch wahr. Auch wenn diese immerfort in Bewegung ist.
Unterhalb der Erdoberfläche spielt sich Leben in anderen Formen ab. Geologische Prozesse und besondere Bedingungen sind entscheidend, dass eine Vielzahl von Gesteinen, Mineralen, Edelsteinen, Erzen, Edelmetallen aber auch organische Produkte sich über Jahrmillionen gebildet, umgewandelt und infolge vulkanischer oder anderer geologischer Prozesse in die Nähe der Erdoberfläche gerückt sind. Die Gesteine des alten Urkontinentes Pangäa vor rund 250 Millionen Jahren sind in den Land- und Gebirgsmassiven der heutigen Kontinente erhalten geblieben. Der südlichere Teil von Pangäa, auch Gondwanaland genannt, bildete nach seiner Loslösung die Kontinente der Südhalbkugel. In diesen Erdteilen findet man heute die größten und bedeutendsten Edelsteinlagerstätten der Welt. Insbesondere die Randgebiete des ehemaligen, im Indischen Ozean gelegenen Lemuria, welches heute von Ostafrika (Madagaskar) bis Südindien und Sri Lanka reicht, fördern vielfältigste Minerale und Edelsteinvarietäten zutage, darunter viele Hochedelsteine wie Rubin und Saphir, aber auch einzigartige Granate und Turmaline in bester Farbe und Reinheit.
Bild: Goldberyll im Ceylon-Schliff, 14.17 ct.. Foto: GemElle.
Anders als die festen und großteils lichtdurchlässigen Minerale und Kristalle sind Metalle von ihrer Substanz her weicher und undurchsichtiger, dafür aber schmelzbar und formbar. Das Element Gold nimmt eine Sonderstellung ein. Dieses warm glänzende, heimelig anmutende Edelmetall ist fest in unserem Erdbewusstsein verankert. Es wirkt magisch anziehend und scheint uns „festen Halt“ zu geben. Dabei hat es seinen Ursprung gar nicht auf Mutter Erde, wie mittlerweile auch die Astrophysik bestätigt. Das Gold ist durch Kollisionen im Weltall auf die Erde gelangt, hat also einen kosmischen Ursprung.
Der Edelstein: Ausdruck von Göttlichkeit im Erdenreich
Im Gilgamesch-Epos wird von einem sagenumwobenen König berichtet, der auf seiner Suche nach dem ewigen Leben eine Reihe von Prüfungen, Hindernisse, Krankheiten und sogar den Tod überwinden muss. In seinen menschlichen und göttlichen Ambitionen vertraut er den Wirkkräften von Gold, Silber und Edelsteinen. Mit Geschenken von Lapislazuli und Karneol versucht er seinem Freund Enkidu zum ewigen Leben zu verhelfen.
Im Zeitalter der modernen Gemmologie kann der Mythos Edelstein heute wissenschaftlich untersucht und erforscht werden. Noch bis in das Mittelalter hinein wurde jeder rote Stein als Karfunkelstein bezeichnet. Heute weiß man, dass damit nicht nur der rote Granat gemeint war, sondern auch jeder andere rote Stein wie beispielsweise Rubin, Spinell oder auch Turmalin (Rubellit). Derartige Verwechslungen hat es im Laufe der Geschichte immer wieder gegeben, auch bei historischen Juwelen. Die Entwicklung der Schleifkunst und das Aufkommen der Facettenschliffe im 15. Jhdt. trugen wesentlich dazu bei, die Strahlkraft und das Feuer der Steine in ihrer Wirkung zu verbessern.
Von Natur aus sind Edelsteine reinste und feinste Verdichtungen von Mineralen. Einem Individuum gleich heben sie sich aus der Masse der anderen Gesteine heraus. Als Kristalle verfügen sie über einen regelmäßig angeordneten inneren Aufbau (Kristallgitter). Äußerlich erscheinen sie als vielflächige (polyedrische) Kristallform, die oft verwachsen ist mit anderen Mineralen oder diese umschließen (Inklusionen). Sie haben bestimmte physikalisch-chemische Eigenschaften, wie hohe Härte, Beständigkeit, Transparenz und vor allem Seltenheit. Geschliffene Minerale, die solche Eigenschaften nicht aufweisen, oder amorphe Steine wie Glas oder Opal (Ausnahme: Edelopal) werden als Schmucksteine bezeichnet. Der oftmals verwendete Begriff „Halbedelstein“ ist veraltet und wurde in den 1950er Jahren offiziell abgeschafft. Im Wunderreich der Natur ist jeder Stein einzigartig. Er beherbergt eine eigene Welt in sich, die sich dem Betrachter mit freiem Auge oder mikroskopisch erschließt. So gesehen gibt es keinen zweiten gleichen Stein.
Edelsteine entstehen bei bestimmten Druck- und Temperaturverhältnissen, der Anwesenheit bestimmter Elemente und infolge geologischer Prozesse. So ist beispielweise das Mineral Korund, zu dem der Saphir und der Rubin zählen, eine Verbindung von Aluminium und Sauerstoff (AIO2), aus der durch liquidmagmatische Prozesse im Erdinneren das zweithärteste Mineral dieser Erde hervorgeht. Als Stein der Könige steht er für Weisheit und Gerechtigkeit, aber auch für Treue und Seelenfrieden.
Bild: Königsblauer Saphir, 3.78 ct.,Madagaskar. Foto: GemElle
Ein Diamant ist unvergänglich. Oder doch nicht?
Im beginnenden 20. Jahrhundert hat der südafrikanische Diamantproduzent De Beers die weltweite Diamantindustrie beherrscht. Von ihm stammt auch der oben zitierte Werbespruch „A diamond is forever“, der sich höchst erfolgreich zu einer weitweiten Überzeugung entwickelt hat. Die Besonderheit des Diamantkristalls besteht in seiner einzigartigen Zusammensetzung (99,9% kristallisierter Kohlenstoff, der Rest sind farbgebende Elemente in winzigsten Mengen) und in seiner außergewöhnlichen Härte (Stufe 10 auf der 10-stufigen Härteskala nach Mohs). Als härtestes Mineral der Erde wird es vorwiegend im Industriebereich eingesetzt (Medizin, Weltraumtechnik, Bau- und Bohrsysteme). Nur ein Bruchteil ist für den Schmuckhandel geeignet, der dafür weltweit gültige Graduierungssysteme erarbeitet hat. Diamanten gibt es in allen Farben. Neben weiß in feinster Nuancierung mit gelb sind vor allem farbintensive „fancy“ Diamanten von Steinliebhabern begehrt. Die Faszination Diamant ist bis heute ungebrochen und führt zu einer Reihe von Imitationen, Behandlungen und Synthesen (Auszeichnungspflicht!) aber auch Fälschungen. Ein Gutteil der heute am Markt befindlichen Diamanten wird synthetisch hergestellt. Rein optisch wie auch chemisch-physikalisch ist das Laborprodukt nicht vom natürlichen Erdprodukt zu unterscheiden. So wie auch andere Edelsteine wie Saphire, Rubine, Smaragde und sogar Quarze seit fast über 100 Jahren auf künstliche Weise hergestellt werden.
Seine Entstehung verdankt der Diamant einzigartigen geologischen Bedingungen. Er kristallisiert unterhalb der Erdkruste im oberen Erdmantel in rund 130-200 km Tiefe bei rund 1.300 ° Celsius und Drucken von etwa 70.000 Atmosphären. Im Kreidezeitalter vor rund 70-130 Millionen Jahren wurde das diamantführende Gestein („Kimberlit“, ein Tuffgestein, benannt nach der gleichnamigen Stadt und der Mine Kimberley in Südafrika) durch vulkanische Eruptionen enormen Ausmaßes an die Erdoberfläche geschleudert. Die größten Diamantlagerstätten dieser Welt befinden sich heute in Südafrika, Namibia, Angola, Botswana, Russland und Kanada.
Der Diamant: Symbol für Liebe, Macht und Ewigkeit. Foto: Royal Asscher
In Südafrika wurde 1905 der bis heute der weltgrößte Diamant gefunden: Der „Cullinan“ mit 3.106 ct. (=621,2 g) Rohgewicht, der vom berühmten Amsterdamer Diamantschleifer Joseph Asscher in insgesamt 9 große und 96 kleine Diamanten gespalten und geschliffen wurde. Sie zieren heute die britischen Kronjuwelen. Mit 530 ct. ist der „Cullinan I“ (Stern von Afrika) der größte geschliffene Diamant der Welt. 2024 wurde in Botswana der bislang zweitgrößte Diamant mit 2.492 ct Rohgewicht gefunden. Aber auch das härteste Mineral der Welt hat seine Schwachpunkte. Das Mineral ist spröde und kann bei Druck und Aufprall leicht zerspringen.
Die Wirkkraft der Steine
Seit jeher werden Mineralen und Edelsteinen besondere Wirk-, Heil- und sogar Wunderkräfte zugeschrieben. Edelsteine werden mit bestimmten Planeten, menschlichen Organen und Sinnesfähigkeiten in Verbindung gebracht. Man unterscheidet Geburts-, Monats- und Jahressteine. Fast immer geht es dabei um eine Verbindung zwischen Irdisch-Menschlichem und Kosmisch-Göttlichem. Rudolf Steiner hat in seinem 1908 gehaltenen Vortragszyklus „Welt, Erde und Mensch“ diese Zusammenhänge im Lichte der Geisteswissenschaft anschaulich gemacht.
Die Entwicklung des Menschen verläuft parallel mit den Veränderungen der Erde und des Mineralreiches. Schon jetzt zeigen sich Tendenzen, die in Richtung Vergeistigung zukünftiger Erdenzustände führen. Manche Edelsteine, wie der eingangs erwähnte Zirkon, tragen Zerfallprozesse in ihrer Aufbaustruktur. Der Hochzirkon als doppellichtbrechender Edelstein mutiert zum Tiefzirkon als einfachlichtbrechender Schmuckstein. Auch wenn solche Prozesse nicht über Nacht und auch nicht über Jahre oder Jahrzehnte geschehen, sind sie doch Ausdruck stattfindender Veränderungen. In der biblischen Apokalypse des Johannes wird von einem künftigen Erdenzeitalter, dem himmlischen Jerusalem, berichtet. Das Mineralreich mit 12 ausgewählten Edelsteinen in verwandelter Form spielt dabei eine Schlüsselrolle. War es eine Vorahnung, wenn Rainer Maria Rilke in seinem Gedichtband „Duineser Elegien“ schreibt: „Erde, ist es nicht dies, was du willst: unsichtbar in uns erstehn? Was, wenn Verwandlung nicht, ist dein drängender Auftrag?“
Die Autorin ist graduierte Gemmologin (FEEG) und Anthroposophin in Wien.