Ein allererster Anfang

Text: Reinhard Apel

Fair Trade als Sehnsucht nach Assoziation

Der Konsument gestaltet

Wenig wird gesehen wie sehr Konsumenten eine Gestaltungsmacht haben. Was sie kaufen, wird wieder erzeugt. Lassen wir in dieser Betrachtung einmal weg, dass die Kaufkraft der Menschen verschieden ist, je nach Einkommen. Darin liegt ein Teil sozialer Ungleichheit begründet. Dies wird hier nicht geleugnet, sondern beiseitegelassen, um einen anderen Gedankenfaden zu spinnen. Am Schluss des Beitrags wird diese Frage neu angeschaut.

Also, es kann nur verkauft werden, was auch jemand kauft. Die unmittelbare Handlung in Bezug auf die Erzeugung gewisser Produkte ist deren Kauf. Dadurch wird die Sinnhaftigkeit der Herstellung bestätigt. Der Protest gegenüber fragwürdigen Produkten und der Ruf nach institutionellen Eingriffen wirkt nur mittelbar. Er muss die Ochsentour durch die politischen Instanzen gehen, bis ein Verbot greifen kann oder eine amtliche Vorschrift kommt. Es ist ähnlich dem Spatzen in der Hand gegenüber der Taube am Dach. Der Kauf oder Nichtkauf wirkt sofort und immer. Es ist eine kleine Wirkung, dem eigenen Wirkkreis entsprechend. Klein aber oho, weil sie sofort real wird. Das haben die Proponenten der Bio-Welle verstanden und mit Bio-Produkten einen kleinen Anfang gemacht, der sich genau entlang des Zuspruchs der Konsumenten in die Wirklichkeit einlebte. Die Kritik am gespritzten Apfel ist gut und richtig. Rechtlich ist nur wichtig, dass die Ämter, radikale Buddhisten oder zartbesaitete Eltern den Naturapfel nicht verbieten, weil er vielleicht Larven enthält. Der Kauf der ungespritzten Frucht drängt den Einsatz von Insektengiften sofort zurück. Ein bisschen nur, aber ganz sicher. Spatz in der Hand.

Wir sind gewöhnt eine möglichst große Geste zu machen und immer an den gesamten Welthunger, an das allgemeine Tierleid, an den globalen Klimawandel zu denken. Und dann tritt irgendwann Resignation ein, wenn sich die Dinge trotz allem Hoffen und Bangen nicht ändern. Das tun sie mit Hilfe politischer Mittel nämlich erst dann, wenn viele Menschen dahinterstehen und der äußerst hinhaltende Widerstand überwindbar wird, den Erzeuger und Händler zu leisten vermögen. Erzeuger und Händler haben in unserer Sozialordnung immer ihre Vertreter in den Institutionen und im Staat. Das wäre in der Sozialen Dreigliederung anders, weil diese Vertreter in den Assoziationen säßen, um ihre Interessen direkt mit Konsumentenbeauftragten abzugleichen. Es würde nichts helfen Lobbyismus an staatlichen Stellen zu betreiben, weil dort praktisch keine wirtschaftliche Agenda mehr wäre: Kein Handelsministerium, kein Wirtschaftsministerium, das Finanzministerium verkleinert. Dort wächst dann kein Blümel.

Politisches Ideal versus Wirtschaftsverhalten

Mit Recht feiert man die Abschaffung der Sklaverei in der Neuen Welt (19.Jhdt). Und dabei übersehen, dass sie just zu dem Zeitpunkt stattfand, als sich der Norden der USA so weit industrialisiert hatte, dass dort die Schwarzen als Arbeiter gebraucht wurden. Die Macht des landwirtschaftlich orientierten Südens war bald „Vom Winde verweht“. Wer recht feinsinnig sein möchte, könnte sogar auf die Idee kommen, dass die Integrationseuphorie der Political Correctness ein schwächerer Grund für die wirklich stattfindende Zuwanderung sein könnte als der Appetit der Marktwirtschaft nach billiger Arbeitskraft. Das ist kein schöner Gedanke, aber vielleicht wahr. Anthroposophisch gesehen soll man den „Schönen Schein“ von Zeit zu Zeit durchschauen. Da er uns blendet und damit die Persönlichkeit überwältigt, ist dies keine leichte Übung.

Den Faden wieder aufgenommen bedeutet das: Die Wirklichkeit wird viel mehr vom Kaufverhalten bestimmt als von der politischen Forderung. Letztere hat allzu oft einen schöngeistigen Charakter. Fordern kann man alles, aber zuweilen müssten sich dann Politiker für etwas schelten lassen, was wir zwar moralisch fordern aber tatsächlich nicht mittragen. Und die Bürger gewöhnten sich daran, ihren Anteil an den Problemen zu übersehen. Dann ist die Abstimmung am Wahlsonntag nicht mit der Abstimmung an der Supermarktkassa abgestimmt. Die Richtung, die mein Geld nimmt, ist zumeist wirkmächtiger als die Richtung, in die mein Stimmzettel flattert.

Dazu kommt, dass der gewählte Volksvertreter zuweilen Dinge tut, die der Wähler oder die Wählerin nie wollten. Wenn mir als Grünwähler der „eigene“ Gesundheitsminister eine Impfflicht aufs Aug drückt, dann ist sein und nicht mein Wille geschehen. Eher dachte der Autor, grün müsste Skepsis gegenüber den Innovationen der Pharmaindustrie bedeuten. So kann ma sich teischen, hätte Farkas gesagt. Wenn man einen gut ausreichenden Wert an selbstgebildeten Antikörpern hat, wozu will die „Mücke“ noch einen Pieks? Zum Wohle von Biontech Pfizer? ich hatte doch meine Infektion, hab die 37,5 Grad Fieber überlebt und nach mehr als 6 Monaten noch einen guten Titer. Wo ist die konventionelle Impfung? Man sollte mir meine Grünstimme von 2020 refundieren.

Im Kauf drückt sich der menschliche Wille viel lebendiger als bei Wahlen aus, und im Kauf von Gütern des täglichen Bedarfes bleibt er sehr wandelbar. Heute Junk, morgen Bio. Dass die Wirklichkeit stark durch den Tausch (Kauf-Verkauf) bestimmt wird, nimmt nicht Wunder, bedenkt man die arbeitsteilige moderne Gesellschaft, in der der Selbstversorger ein Sonderling ist, ein Schwurbler.

Fair Trade – Präludium der Assoziation

An diesem Punkt taucht nun ähnlich einer Ouvertüre assoziierenden Verhaltens das Fair Trade Produkt auf. Zugegeben zum Teil ein Kind sozialromantischer Empfindungen der 70- er Jahre, hat Fair Trade aber einen Fuß in die Wirklichkeit gebracht. Denn mindestens unser Kaffee wird immer dann umweltschonender hergestellt, wenn wir diesen Kaffee als Fair Trade Produkt erstehen. Und die Kaffeebauern bekommen bessere Entlohnung. Das Neue dabei ist, wie hier das Los des Produzenten vom Konsumenten mitbedacht und ein höherer Preis als marktüblich gezahlt wird. Auch das Fortbestehen der Naturzusammenhänge ist einkalkuliert. Der Vertriebsweg wird von Händlern betreut, die nicht (zu sehr) dazwischenfunken. Waren klassischer Weise im Wirtschaftsleben die Fabrikanten der Hecht im Karpfenteich, so sind es heute bei Nahrungsmitteln meist die Händler, sprich Handelsketten.

Sicherlich ist fairer Handel diesbezüglich erst der Anfang eines Anfanges. Aber immerhin beginnt der Zusammenhang mit dem Kaffeebauern bewusst zu werden und die eigenen Wünsche zur Verbesserung von Zuständen dürfen etwas kosten. Die Marktdynamik ist damit nicht völlig ersetzt, doch ist ein Anfang für wirtschaftliches Zusammenwirken gemacht. In der voll ausgebildeten Assoziation würden Vertreter der Konsumenten, Händler und Produzenten sich die wirtschaftlichen Vorgänge ausmachen und den Bedarf wahrnehmen. Assoziationen im Speziellen sowie Soziale Dreigliederung im Ganzen wären weit mehr als duftender Fair Trade Kaffee. Aber lassen wir mal die Taube am Dach.

Denkbar ist, dass die Neukonstruktion der wirtschaftlichen Zusammenhänge von ganz unten überhaupt einen gangbarer Weg zu gerechten Verhältnissen darstellt. Man sieht die großen Bewegungen im politischen und parlamentarischen Bereich irgendwann verflachen, nachdem sie zunächst ihre Wirkung hatten. Der Systemwechsel im Großen birgt zu viele Widerstände. Aber im Kleinen, im eigenen Tauschgebaren, wird immer so viel System gewechselt, wie man selbst wirklich mitträgt und damit tatsächlich will.

Brüderlicher Einkauf

Der Gedanke lässt sich so fortspinnen, dass wir einander in Zukunft über den Preis der Produkte gegenseitig ein ausreichendes Einkommen zusprechen. Das tun in dieser Vision nicht mehr die Sozialpartner, wir regeln es idealer Weise selbst, indem wir wechselweise einen Preis bezahlen, der die Soziale Frage berücksichtigt. Sollten Konsumenten auf diese Weise Bewusstsein entwickeln, dann tut sich ein Weg zu neuartigem assoziativem Handeln auf. Angenehm sanft und allmählich. Was real gewollt ist, wird dann auch sein. Der Wahlzettel drückt in vieler Hinsicht die schöne Absicht, der Akt des Kaufes jedoch den umgesetzten Willen aus. Allein, der Konsument sieht noch kaum, dass es eine große Bedeutung hat, wie er sein oder sie ihr Geld ausgibt. Dies wirkt sofort per Nachfrage auf das Wiederholen des Angebotes. In diesem sind aber alle Bedingungen der Herstellung enthalten, Schönes, Notwendiges und weniger Schönes (zb.Kinderarbeit).

Der Zuspruch zu gesellschaftlicher Transformation erfolgt aus dieser Perspektive nicht so sehr an der Wahlurne, sondern wirksamer beim Einkauf an der Kasse.

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