Einiges über Alchemie

Text: Reinhard Apel

Die alten Alchemisten gingen davon aus, dass der uns umgebende Normalzustand das Maßgebende sei. Und da ist Wasser eben flüssig und alles Flüssi­ge gehört dann dem Element „Wasser” an. Sie hätten sich gewundert, wieso die heutigen Wissenschaftler nicht bemerken, was sie alles an Spezialbemühun­gen aufbieten müssen, um am CERN neue Teilchen entstehen zu lassen. Nur für kürzeste Zeit allerdings. Sie hätten gesagt, „dies ist wie ein Homunkulus!“, al­so etwas, was nicht Bestand hat. Und damit ist auch nicht wirklich wahr, was so erzeugt wird.

Weit, weit zurück in die Menschheitsgeschichte rei­chen die Wurzeln der Alchemia. Wir können uns heute im Wesentlichen auf das beziehen, was von Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert hinein als Alche­mie bekannt war. Noch Doktor Faustus in Goethes großem Drama möchte in diesem Sinne wissen, „was die Welt, im Innersten zusammenhält.“

Unsere jetzige Welt entwickelt sich mit der modernen Naturwissenschaft, die ihre nüchternen Naturgesetze an die Stelle der mehr seelenhaften und geisterfüll­ten Wissenschaften der Griechen, des Mittelalters und der frühen Neuzeit setzt. Noch der berühmte Paracelsus hat ältere Anschauungen in seinem Wir­ken berücksichtigt. Aber dann wird alles berechen­bar, man betrachtet das Detail und sucht einheitli­che Formeln in Chemie und Physik. Und – das darf nicht übersehen werden – die technische Umsetzung der gefundenen Naturgesetze in die höchst prakti­sche Maschine ist so überzeugend, dass alles frühe­re Forschen und Erkennen dagegen blass und farb­los erscheint.

Wir kennen gegenwärtig die vier Elemente mehr als die Aggregatszustände. Alles kann letztlich bei ent­sprechendem Vorgehen zu einem Gas werden und alles kann am Ende in Feuer vergehen. Weiters ha­ben wir das Periodensystem der Elemente (PSE) für uns etabliert.

Die alten Alchemisten sprachen nie nur von Was­ser, wenn sie Wasser sagten. Sie meinten das Flüssige überhaupt. Es wurde als Seinsweise gedacht, die sich auf der Erde in der bekannten Form darstellt, aber darüber hinausgeht.

Zuerst war das Feuer gewesen als ältester Zustand des Seins (auch so bei Heraklit). Das Symbol1 da­für ist ein gleichschenkeliges Dreieck mit der Spitze nach oben. Die Flamme strebt ja nach oben, die Wär­me zieht hinauf, die Sonne saugt zu sich. Im griechi­schen Mythos des Ikaros kommt jemand der Sonne zu nahe und wird versengt. Hierbei geht es um das rechte Maß und wohl kaum um erste Flugversuche mit Gerätschaften.

Dann teilt sich Feuersubstanz auf und wird verdich­tet zu Luft, weiters verfeinert zu Licht. Deshalb hier ein Symbol in dem etwa zwei Drittel als „Luftsubs­tanz“ verstanden werden. Diese wäre dann viel ur­tümlicher, wesenhafter als unsere irdische Luft, die nur ein Nachklang davon ist. Dieses Dreieckssymbol zeigt auch nach oben, denn Licht und Luft hat in der Seele die Tendenz zum Himmel hin.

Der Wassertropfen fällt nach unten. Das nächste Symbol kehrt die Dreiecksform um, jetzt wird’s ir­discher. Der alte mystische Wasserzustand, der dritte Seinszustand der Welt ist aber wiederum einheitlich, ganz Wasser.

Und dann beginnen höhere Wesen weiter zu ver­dichten, sodass ein vierter Zustand eintritt: Das Fes­te. Das wird unsere Erde zuletzt. Aber Wasser ist auf der Erdoberfläche doch mehr da! Insofern sind zwei Drittel Flüssiges und nur der untere Teil wird als Fes­tes im dazugehörigen Dreieckssymbol dargestellt. Die Spitze des Dreieckzeichens weist nach unten, denn der Stein fällt. Jetzt ist die Welt gänzlich dem Paradies entsunken, der Fall in die Schwere abge­schlossen. In diesem generellen Zustand finden sich aber auch Luft/Licht und Feuer neben dem Wasser wieder, nur eben sehr verdichtet und verdinglicht. Der wahre Alchemist versuchte in seiner Beobach­tung wiederaufleben zu lassen das Erlebnis des ur­sprünglichen Feuers, der göttlichen Luft und so wei­ter.

Hier sind wir an einem wichtigen Punkt. Denn in den Glanzzeiten der Alchemie, war dem im Labor Beobachtenden klar, dass er mit Prozessen und Vor­gängen zu tun hat, die er in der Seele wesenhaft er­leben soll. Eine chemische Reaktion, war ein inne­res Abenteuer. Letztendlich sollte die Verwandlung vor seinen Augen immer auch zu einer Verwandlung seiner Persönlichkeit führen. Somit war die rechte Alchemia zugleich ein Schulungsweg, um die eige­ne Persönlichkeit reifen zu lassen. Was äußerlich ge­schieden, gereinigt wurde, wurde auch im Menschen ein Stück weit mit gereinigt. Was im Versuch in viel­fältigster Art verbunden wurde, erlebte man als Ver­bindungsprozess auch in sich selbst. Daher wurde zum Lob des Göttlichen der Weltwerdeprozess all­mählich in der Seele lebendig. „Meine Seele ist groß, wie die weite Welt und nichts ist mehr außer ihr“, das sollte der wahre Alchemist immer besser zu sich sa­gen lernen.

Da ist sie, die Parallele zum Bemühen des Anthro­posophen. Alles nachempfinden können, alle Erleb­nisse und Begegnungen in seine Seele integrieren können, das ist für AnthroposophInnen (um diese Unform auch einmal hereinzuschmelzen) ein hohes Ziel.

Wann immer Alchemisten begannen ohne dem Gold der wahren Erkenntnis, physisches Gold zu su­chen, nur um damit die Begierde nach Reichtum zu befriedigen, begann die Dekadenz.

Über die Vorgänge unter den Namen Sal, Merkur, Sulphur kann vielleicht in der nächsten Ausgabe be­richtet werden. Sie waren die Ergänzung zu den al­chemistischen Elementen, denn Sal, Merkur, Sulphur benötigten diese zur Vollführung des Weltprozesses als ihr gestaltbares „Material“.

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