für einen artgerechten Umgang mit diesem wichtigen Teil der Natur
Text: Dr. Gerhard Denk, Grafik: Thomas Hardtmuth
Vorwort
Im folgenden Beitrag werden viele Gebiete berührt, die jeweils eine Wissenschaft für sich sind. Genetik, Biologie, Medizin, Evolutionsbiologie, etc. Die dargestellten Zusammenhänge sind nicht falsch, aber vereinfacht. In den Forschungsgebieten herrscht immer ein Diskurs verschiedener Konzepte auf die hier ebenfalls nicht eingegangen werden kann. Betroffene des Zeitgeschehens sollen Einblick in naturwissenschaftliche Aspekte der Virentätigkeit gewinnen um Grundlagen für eigene Urteilsfähigkeit zu sammeln, ob das Angst machende Image der Viren als eiskalte Killer aufrecht zu erhalten ist.
Beziehung zwischen Mensch und Natur
Wir erleben gerade wie sich durch Viren eine Welle der Angst über den ganzen Erdball ausgebreitet hat. Aus dieser Angst heraus werden Maßnahmen getroffen, welche unser bisheriges Leben dramatisch verändern. Ist diese Angst der geeignete Impulsgeber für weitere Entwicklungen? Oder schwächt sie unsere Wirtschaft, unser Kulturleben und die Demokratie?
Im Umgang mit dem Pflanzen- und Tierreich hat der Mensch seit Urzeiten drei grundlegende Strategien entwickelt, nämlich ausgrenzen, vernichten und domestizieren. Nur im letztgenannten Fall kann man von einer konstruktiven gegenseitigen Anpassung sprechen. Soziale Distanzierung und Desinfizieren sind gegenwärtig Antworten auf Sars-CoV-2 . Ist gegebenenfalls eine konstruktive Beziehung zwischen Viren und Mensch vorstellbar? Ja, sie ist nicht nur denkbar, sondern tatsächlicher Bestandteil der Evolution. Um dies besser verstehen zu können, müssen wir die nötigen Elemente zusammentragen.
Was sind Viren
Viren bestehen aus einem Genstrang und einer Eiweißhülle. Da sie keinen eigenen Stoffwechsel haben, nehmen sie für ihre Reproduktion den Zellstoffwechsel von Bakterien, Pilzen, Pflanzen, Tieren und Menschen in Anspruch. Sie tun dies selektiv, das heißt manche Virenstämme kommen nur in bestimmten Arten (z.B. Vögel ) vor, oder sie bevorzugen gar bestimmte Zelltypen (Rhinoviren – Nasenschleimhaut; Herpesviren – Nervenzellen). Dabei können sie sogenannten „sesshaften“ (ohne Krankheitssymptome) oder „lytischen“ (mit Krankheitssymptomen) Lebensstil zeigen. Kommt ihr Wirtsorganismus durch andere Einflüsse unter Stress, so können einige ihren Lebensstil verändern, und man bekommt dann Schnupfen oder Fieberblasen. Aus einer stummen HIV-Infektion kann plötzlich die Aidserkrankung ausbrechen. Das bloße Vorhandensein von Viren, bedeutet also noch keine Erkrankung, wofür zahllose positive PCR-Coronatests bei fehlenden Krankheitssymptomen ein anschauliches Beispiel liefern. Sesshafter Lebensstil ist für das Gesamtspektrum der Viren weitaus überwiegend, der lytische stellt die Ausnahme dar. Viren finden sich praktisch überall. Ein Milliliter Meerwasser enthält 10-100Millionen, ein Gramm Salat 1Milliarde Viren. Durch UV-Licht zerfallen sie, können sich aber ebenso rasch wieder zusammenlagern. Sie mutieren 1000mal schneller als Bakterien, die selbst bereits Meister der Verwandlungsfähigkeit sind. In einem ständigem Prozess zwischen Zerfall und Neubildung durchziehen Viren die gesamte Biosphäre. Ihre wesentliche Interaktion mit Lebewesen erfolgt auf Ebene der Gene.
Genetische Grundlagen – wer steuert wen?
Wir wollen nun diesen Bereich im Menschen aufsuchen. Lange Zeit galt das Dogma von Watson und Crick, dass Gene (DNA im Zellkern) die Eiweißsynthese lenken, das Eiweiß selbst aber keine Veränderung genetischer Vorgänge bewirkt, also eine Steuerung sämtlicher Lebensprozesse vom Zellkern aus. Forschungsergebnisse der Epigenetik hingegen zeigen, dass umgekehrt die Eiweißzusammensetzung in der Zelle steuert, welche Gene aktiviert bzw. deaktiviert werden. Das bedeutet, dass die Lebensprozesse der Impuls gebende Faktor sind. Der Zellkern ist primär eine Bibliothek, welche festgelegte Routinen gespeichert hat. Diese Routinen sorgen dann für eine artspezifische Reaktion auf entsprechende Umgebungsverhältnisse. Unser Mobiltelefon ist z.B. ebenfalls so eine Programmbibliothek, mit Programmen wie Telefon, SMS, Internet, Rechner etc., welche wir als Impulsgeber aufrufen, wenn wir sie gerade nutzen wollen. Zellkern mit DNA dient primär der Arterhaltung, was bedeutet, dass Situationen stets mit gleichbleibenden Mustern beantwortet werden. Woher kommt die Entwicklung neuer Strategien?
RNA-Welt zwischen Zentrum und Peripherie
Genstränge können in zwei Formen vorliegen, nämlich als DNA bzw. RNA. Zwischen Zellkern (DNA) und Ribosomen, also zwischen DNA-Welt und Eiweißwelt befindet sich die RNA-Welt welche sogar in der Lage ist, den genetischen Code im Zellkern zu verändern. Damit kommen wir wieder zum Thema Viren zurück, denn diese RNA-Welt ist jene Kontaktstelle, an der Viren sich in das Zellgeschehen der Wirtszelle primär einschalten, übrigens ebenso die geplanten Impfungen mit neuen RNA-Impfstoffen. Sogenannte Retrovieren sind sogar in der Lage sich direkt in die DNA des Zellkerns einzuschreiben, d.h. Ihren genetischen Code mit dem Genom der Zelle zu vereinigen (horizontaler Gentransfer). Handelt es sich dabei um Zellen der Keimbahn (Eizellen, Samenzellen) werden die Veränderungen dauerhaft auf die Nachkommen übertragen (vertikaler Gentransfer).
Horizontaler und vertikaler Gentransfer
In den Anfängen der Evolution stand der horizontale Gentransfer. Gene in Form loser Stränge bzw. Ringstrukturen wurden untereinander lebhaft ausgetauscht bzw. verändert. Diese Eigenschaften finden sich heute noch unvermindert bei Viren und Bakterien. Bei höher entwickelten Lebewesen, welche ihr Erbgut bereits in einem abgeschlossenen Zellkern aufbewahren (Eukaryonten), wurde dieser horizontale Gentransfer stark eingeschränkt. Jetzt konnte Erbmaterial konserviert und exklusiv an Nachkommen weitergegeben werden. Stabile Arten entstanden. Hier zeigt sich eine deutliche Polarität zwischen Veränderlichkeit und Stabilität.
Viren als wesentlicher Impulsgeber der Evolution – wir hören zu
Horizontaler Gentransfer und damit Veränderung des genetischen Codes stellt einen ganz wesentlichen Vorgang während der gesamten Evolution dar. Neuere Forschungen zeigen, dass er um vieles bedeutsamer für diese ist als die klassische Synthesetheorie des Neodarwinismus mit seinen Elementen – Zufallsmutation und anschließender Selektion. Mittels Gensequenzanalyse wurden unzählige Genome gegenwärtiger sowie fossiler Bakterien, Pflanzen, Tiere, Menschen analysiert und miteinander in Beziehung gesetzt. Es zeigte sich, dass sämtliche Lebewesen Reste mehrfacher viraler Besiedlung aufwiesen. Das menschliche Genom z.B. besteht zur Hälfte aus Genen viralen Ursprungs. Unsere körpereigene Fähigkeit mit Genen umzugehen beruht ausschließlich auf die Integration von Viren (Symbiose). Ja man könnte sagen, dass unsere RNA-Welt eine domestizierte Virensphäre ist. Die genetische Veränderlichkeit ist beim menschlichem Immunsystem am größten. Hier können ständig Veränderungen am Erbgut vorgenommen werden, ausgelöst durch sogenannte Infektionen. Infektionen kann man auf der Ebene des Lebens als Nachrichtenquelle ansehen, die uns mitteilen, was in der lebendigen Natur vor sich geht. So „hören“ wir, dass z.B. in Massentierhaltung Hühner in großem Stress sind und in Folge dessen deren Viren mutieren und als Vogelgrippe zu uns kommen. Krankheit kann dann entstehen, wenn z.B. Viren, welche bis dahin in einem Tier ihren Wirt hatten auf den Menschen übergehen. Sie bringen dann Prozesse mit, welche dem Tier nicht schädlich waren, dem Menschen aber nicht angepasst sind. Eine Auseinandersetzung ist erforderlich und es entscheidet sich, ob und in welcher Form daraus eine neue Fähigkeit wird.
Transhumanismus
2001 wurde die Entschlüsselung des menschlichen Genoms bekanntgegeben. Hunderte Wissenschaftler hatten jahrelang daran gearbeitet. Moderne Geräte schaffen heute eine Gensequenzanalyse in wenigen Stunden. „CRISPR/CAS9“ dieses merkwürdige Kürzel steht für ein neues Verfahren, um DNA-Bausteine im Erbgut zu verändern, so einfach und präzise, wie es bis vor kurzem unvorstellbar war. Mit solchen modernen Errungenschaften ist vieles vorstellbar geworden. Ein idealistisch gesinnter Materialismus sieht darin Möglichkeiten die Menschheit zu optimieren, Krankheiten, ja selbst das Sterben zu verhindern, Designerbabys mit ausgewählten Eigenschaften hervorzubringen. Waren gentechnische Versuche am Menschen bislang nur unter strengsten Auflagen möglich, so bieten die Umstände nun die zweifelhafte Gelegenheit Milliarden Menschen mit einer neuen gentechnischen Methode zu impfen (RNA-Impfstoff) und damit breite, praktische Erfahrung zu sammeln. Das ist eine logische Entwicklung, wenn man die Voraussetzungen kennt. Entscheidend wird sein, aus welchen Impulsen heraus die Menschheit ihre eigene leibliche Evolution in die Hand nimmt. Profitgier oder Angst sollten dabei keine Rolle spielen. Möge das Menschenbild, wie es Rudolf Steiner dargestellt hat, leitend bei diesem so bedeutsamen Schritt in die Zukunft sein.
Literatur:
Thomas Hardtmuth, „Die Rolle der Viren in Evolution und Medizin- Versuch einer systemischen Perspektive“ Tycho de Brahe Jahrbuch für Goetheanismus 2019
Joachim Bauer, „Das kooperative Gen – Abschied vom Darwinismus“ Verlag Hoffman und Campe
Frank Ryan, „Virolution“ Spektrum Akademischer Verlag